Executive Search, Personalvermittlung & professionelle Personalsuche in Bulgarien / Republik Bulgarien / Bulgaria / България

Kurzer Einblick, aktuelle Wirtschaftslage & derzeitige Lage am Arbeitsmarkt in Bulgarien (Stand – Jan. 2020)

Otto von Bismarck bezeichnete die Bulgaren einst als die „Preußen des Balkans“. Heute zählt das Land am Schwarzen Meer zu den „Sorgenkindern Europas“ – in vielerlei Hinsicht.

Seit der politischen Wende im Jahr 1990 hat Bulgarien ein Viertel seiner Bevölkerung verloren. Die Einwohnerzahl ging von knapp 9 Millionen auf 6,9 Millionen zurück. Tatsächlich dürfte sie sogar deutlich unter diesem Wert liegen, da viele ausgewanderte Bulgaren noch in ihrem Herkunftsland gemeldet sind. Neben der Ukraine erlebte kein anderes Land in Osteuropa einen solchen Bevölkerungsschwund. Schätzungen zufolge sollen über 1,3 Millionen Bulgaren im Ausland leben, die meisten von ihnen in Deutschland und Großbritannien. Und der Aderlass hält an: Jedes Jahr verliert Bulgarien rund 50.000 Einwohner. Laut einer Prognose der Vereinten Nationen („World Population Prospects 2019“) werden in 20 Jahren eine Million weniger Menschen in Bulgarien leben als heute.

Immer mehr Junge ziehen weg. Zurück bleibt die älteste Gesellschaft Europas

Mit einem Durchschnittsalter von etwa 45 Jahren gehört die bulgarische Gesellschaft zu den ältesten der Welt. Dabei liegt die Lebenserwartung – auch aufgrund der schlechten medizinischen Versorgung und des fehlenden Gesundheitspersonals – bei nur 74,5 Jahren (EU-Durchschnitt: über 80 Jahre). Neben einer hohen Sterberate lässt sich die stark alternde Gesellschaft auch mit der relativ niedrigen Zahl an Geburten und Zuwanderern begründen. Das größte Problem aber: Bulgarien verliert seine Jugend. Vor allem junge Menschen kehren ihrer Heimat den Rücken.

Für im Ausland studierende Bulgaren ist übrigens Deutschland die erste Wahl. Außerdem bilden sie an deutschen Hochschulen, neben den Chinesen, die größte studentische Diaspora. Für die bulgarische Wirtschaft wäre es enorm wichtig, wenn diese gut ausgebildete Gruppe zurückkehren würde, um die heimische Wirtschaft anzukurbeln.

Die Auswanderung von Nachwuchs und Bildungseliten – und die damit einhergehende schrumpfende Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (derzeit liegt diese bei etwa einem Drittel) – gefährden auch das Wirtschaftswachstum. Schon heute liegt Bulgarien in relevanten EU-Statistiken auf dem letzten Platz. So hat das Land, das gemeinsam mit Rumänien seit 2007 der Europäischen Union angehört, die mit Abstand niedrigsten Arbeitskosten pro Stunde (Schnitt 2018: 5,40 Euro) und den niedrigsten Mindestlohn (Schnitt 2018: 1,72 Euro pro Stunde). Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf betrug 2018 nur 7.800 Euro (hinter Rumänien mit 10.400 Euro). Auch in Sachen Armut ist Bulgarien das Schlusslicht innerhalb der EU – die Armutsquote liegt bei knapp 33 Prozent.

Die meisten Wohnungen befinden sich in Privatbesitz. Andernfalls könnten viele Bulgaren ihren Lebensunterhalt kaum bestreiten.

Etwa vier von fünf Bulgaren leben „von der Hand in den Mund“. Die Preise für Lebensmittel liegen in etwa auf dem gleichen Niveau wie in Polen, Ungarn und Tschechien. Allerdings beträgt das monatliche Durchschnittseinkommen nur 400 Euro – erneut ein EU-weiter Negativrekord – und damit nur etwa die Hälfte von dem in den zuvor genannten Ländern. Selbst Ärzte bekommen nach einer fünfjährigen Ausbildung in Bulgarien nicht wesentlich mehr Geld. Dass es viele von ihnen etwa nach Deutschland zieht (wo ein angehender Facharzt schon während seiner Ausbildung ein Monatsgehalt von 2.200 Euro netto (Steuerklasse I) erhält), liegt auf der Hand. Und dass es in Bulgarien deswegen an Ärzten fehlt ebenso. Auch der Lehrerberuf steckt in einer tiefen Krise: Über 80 Prozent der Lehrkräfte sind über 50, Nachwuchs fürs Lehrerzimmer ist aufgrund der niedrigen Gehälter kaum in Sicht.

Viele Bulgaren kommen nur über die Runden, weil sie über privates Wohneigentum verfügen. Typisch Osteuropa – in der Regel fallen die Wohneigentumsquoten in den osteuropäischen Staaten viel höher aus als in den übrigen Regionen Europas. Zum Vergleich: In Bulgarien sind es 83 Prozent, in Rumänien sogar 96 Prozent. Am Ende der Statistik rangieren Österreich (55 Prozent) und Deutschland mit unter 50 Prozent.

Neben der demographischen Entwicklung und dem Fachkräftemangel schwächen auch Korruption und oligarchische Strukturen das Investitionsklima in Bulgarien. Teilweise ziehen sich auch Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum – wegen der schwierigen Personalsuche – vom bulgarischen Markt zurück. Im von der Weltbank entwickelten „Doing Business Index 2020“, der die Geschäftsfreundlichkeit und Unternehmenstätigkeit von 190 Volkswirtschaften vergleicht, landet Bulgarien auf Rang 61 – knapp vor der Ukraine, aber hinter dem Kosovo und Rumänien.

Beliebtes Ferienziel: Die Zahl der Touristen übersteigt mittlerweile die Einwohnerzahl des Landes.

Die bulgarische Wirtschaft ist stark auf den tertiären Sektor ausgerichtet. Dienstleistungen machen rund 60 Prozent des BIP aus. Eine bedeutende Rolle spielt hierbei der Tourismus. Über acht Millionen Feriengäste (mehr als das Land Einwohner zählt) zieht es jedes Jahr nach Bulgarien, vor allem an die bekannten Sandstrände nahe der Küstenstädte Varna und Burgas. Doch auch in der Tourismusbranche, die schätzungsweise acht Prozent zur Wirtschaftsleistung beiträgt und eine der Haupteinnahmequellen für Devisen ist, herrscht Personalmangel. Viele einheimische Kellner, Zimmermädchen, Rezeptionisten und Köche gehen wegen der besseren Bezahlung lieber nach Österreich, Deutschland und wenn möglich in der Schweiz, aber auch nach Griechenland, England oder Italien. Die Folge: Hotels am Schwarzen Meer bleiben mitunter geschlossen, Saisonarbeiter kommen (nach einer Lockerung des Arbeitsgesetzes) vermehrt aus Nicht-EU-Staaten wie Moldawien oder der Ukraine.

Zu Bulgariens wichtigsten Wirtschaftszweigen gehören neben dem Tourismus die Lebensmittelindustrie, die Energiewirtschaft, der Bergbau, die Metallindustrie, der Maschinenbau sowie die Landwirtschaft.

Eine entscheidende Rolle für den Arbeitsmarkt spielt die Industrie, wo gut 30 Prozent der Erwerbstätigen beschäftigt sind und die gut ein Viertel des BIP generiert. Auffallend ist die wirtschaftliche Bedeutung des Agrarsektors mit über 220.000 Erwerbstätigen: Der Anteil der Landwirtschaft an der Bruttowertschöpfung beträgt um die vier Prozent. Was sich vielleicht nicht nach viel anhört, ist vermutlich der höchste Wert in der EU.

Einen ähnlichen Stellenwert für die bulgarische Wirtschaft hat die Automobilindustrie, die etwa 50.000 Mitarbeiter beschäftigt und rund fünf Prozent zum BIP beiträgt. Über 200 Unternehmen stellen für nahezu alle Marken Autoteile her.

Wie andere Länder in Osteuropa ist auch Bulgarien ein gefragter Standort für Outsourcing im Bereich IT-Entwicklung und Kundenservice. Neben niedrigen Löhnen und Steuervorteilen schätzen viele Unternehmen die stabile Währung – durch eine 1:1-Bindung des Lew an die D-Mark im Jahr 1999 entspricht der gesetzliche Umrechnungskurs zum Euro dem der D-Mark) – und die guten Fremdsprachenkenntnisse der Bulgaren (insbesondere Englisch und Deutsch).

Zehntausende Roma „verdienen“ ihr Geld im westlichen Ausland. Im Sommer kehren sie zurück.

Die Arbeitslosenquote in Bulgarien liegt derzeit bei rund fünf Prozent (und damit ungefähr auf dem Niveau wie beim EU-Beitritt 2007 bzw. vor der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09). Doch egal ob in der IT-Branche, in der Industrie oder im Straßenbau: Überall mangelt es an Arbeits-, insbesondere an Fachkräften. Selbst Lohnerhöhungen in bestimmten Branchen können dieses Loch nicht schließen. Der Arbeitsmarkt für Fachpersonal, aber auch für Hilfskräfte scheint wie leer gefegt.

Eine Personalsuche über Anzeigen verspricht, auch nach dem Bekunden unserer Kunden, nur wenig Erfolg. Immer mehr Unternehmen greifen auf eine professionelle Personalvermittlung und einen versierten Headhunter zurück. Darüber lassen sich noch bulgarische Arbeitskräfte und qualifiziertes Personal aus Bulgarien finden.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich Bürger anderer Staaten in Bulgarien offenbar nicht niederlassen wollen, das Land zu wenig attraktiv erscheint. Der Ausländeranteil liegt bei nur knapp über einem Prozent.

Angaben zufolge bezeichnen sich 85 Prozent der Bevölkerung als Bulgaren, etwa neun Prozent gehören der Minderheit der sogenannten Balkan-Türken an (in zwei von 28 Bezirken stellen sie die Bevölkerungsmehrheit) und rund zehn Prozent sind Angehörige der Roma-Minderheit. Tatsächlich dürfte deren Anteil an der Gesamtbevölkerung, glaubt man einem Bericht des Europarats, mindestens doppelt so hoch sein. Ein Problem ergibt sich aus der mangelhaften Integration der – im Vergleich zu den anderen Bevölkerungsgruppen – geburtenstarken Roma. Und: Zehntausende gehen jedes Jahr ins Ausland (vor allem nach Deutschland), um dort – auch auf illegale Weise – zu arbeiten. Manche Dörfer oder Siedlungen stehen über Monate nahezu leer, für den Sommer kehren die Pendler dann in ihre Häuser zurück. Seit Inkrafttreten der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU im Jahr 2014 setzen immer mehr auf ein „modernes Zigeunerleben“:Im Westen wird das Geld „verdient“, zu Hause wird es ausgegeben.

Nach dem Ende der Sowjetunion erlebte die bulgarische Wirtschaft einen Kollaps.

Die bulgarische Wirtschaft wächst derzeit um etwa drei Prozent, die Industrie noch weniger. Verglichen mit den Jahren vor der Krise – damals wurden Wachstumsraten zwischen sechs und sieben Prozent erzielt – geht es nur schleppend voran.

Die Wirtschaft Bulgariens ist vor allem im Süden konzentriert. Neben der Hauptstadt Sofia bildet die Region Plovdiv das wirtschaftliche und industrielle Zentrum des Landes. In der zweitgrößten Stadt Bulgariens hat sich die Internationale Messe Plovdiv zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor entwickelt. Die größte Messe in Südosteuropa legt ihren Schwerpunkt auf Industrie und Landwirtschaft.

Das an der Schwarzmeerküste gelegene Varna war früher das Zentrum für Maschinenbau und der zentrale Standort für Werften. Doch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Wegfall des Marktes der Sowjetunion, zu der Bulgarien die engsten Beziehungen unterhielt, brach die auf den „großen Bruder“ ausgerichtete Wirtschaft zusammen – Einkommen und Lebensstandard nahmen rapide ab. Die einst gut entwickelte Industrie für Computerhardware verschwand sogar völlig.

Die Bulgaren verbindet mit den Russen viel mehr als nur das kyrillische Alphabet.

Die starke Verbundenheit zu Russland – nach Deutschland das wichtigste Importland – existiert nach wie vor und ist nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern historisch gewachsen. Nach einem Sieg Russlands gegen das Osmanische Reich konnte Bulgarien 1878 unabhängig werden. Aus dieser Dankbarkeit heraus weigerte sich der bulgarische Zar im Jahr 1943, in den Deutsch-Sowjetischen Krieg einzutreten. Gegenüber Hitler soll er gesagt haben, sein Volk könne nicht gegen ein Land kämpfen, dem es die Befreiung vom 500-jährigen türkischen Joch verdanke. Der Zar starb wenige Tage nach diesem Gespräch unter mysteriösen Umständen. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte der bulgarische Staats- und Parteichef Todor Schiwkow immer wieder, sein Land als 16. Republik an die Sowjetunion anzugliedern. Dazu kam es zwar nicht, aber Moskau hatte in Bulgarien zu dieser Zeit den sowohl wirtschaftlich als auch politisch engsten Verbündeten gefunden. Und die Hafenstadt Varna trug zwischen 1949 und 1956 den Namen „Stalin“ …

Auch heute sind die Russen in Bulgarien präsent: Etwa eine halbe Million sind in dem EU-Land registriert, die meisten von ihnen besitzen Immobilien an der Schwarzmeerküste. Ihretwegen fallen die Lebenshaltungskosten etwa in Varna sogar höher aus als in der Hauptstadt Sofia.