Kurzer Einblick, aktuelle Wirtschaftslage & derzeitige Lage am Arbeitsmarkt in Polen (Stand – Jan. 2020)
Mit rund 38 Millionen Einwohnern gehört Polen zu den bevölkerungsreichsten Ländern Europas, und dementsprechend zu den größten Absatzmärkten. Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund 500 Milliarden Euro landet Polen im EU-Ranking auf einem respektablen sechsten Platz. Seit dem politischen Umbruch 1989/90 hat sich das Land auf beeindruckende Weise entwickelt. Befand sich die polnische Volkswirtschaft vor 30 Jahren noch auf einem ähnlichen Niveau wie die Ukraine, trennen die beiden Nachbarländer in diesem Punkt mittlerweile Welten. Die polnische Wirtschaftsleistung übersteigt die der Ukraine um fast das Vierfache. Und das obwohl die einstige Sowjetrepublik eine ähnliche Bevölkerungszahl aufweist.
Gemeinsam mit Tschechien gilt Polen als Musterschüler im östlichen Mitteleuropa. Inzwischen gehört das Land zu den 25 größten Volkswirtschaften der Welt, das Pro-Kopf-Einkommen übersteigt sogar schon das mancher westlicher EU-Staaten. Die Wirtschaft floriert – 2018 belief sich das reale Wachstum auf einen Spitzenwert von 5,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – und laut Prognosen soll die positive Entwicklung anhalten. Für 2020 und 2021 rechnen Wirtschaftsexperten mit einem Wachstum von jeweils 3,3 Prozent. Auf dem europäischen Festland erreicht nur noch Rumänien mit 3,8 Prozent einen noch höheren Wert beim BIP-Anstieg.
Nach dem Brexit verschiebt sich das Machtgefüge in der EU nach Osten. Die Visegrád-Staaten bekommen mehr Gewicht.
Im Gegensatz zu den meisten EU-Staaten ist die Einwohnerzahl Polens nicht rückläufig. Die Zeiten des Exodus sind, vor allem wegen der wirtschaftlichen Situation, längst vorbei (obwohl die Polen im Mittel-/Osteuropa-Vergleich nach wie vor zu den mobilsten Völkern zählen, ganz anders etwa Tschechen oder Slowaken): Nach dem EU-Beitritt 2004 verließen Hunderttausende Polen ihr Land vor allem gen Großbritannien, wo heute inzwischen fast eine Million polnische Einwanderer wohnen. Bis auf die Briten, Iren und Schweden machten damals erst einmal alle EU-Staaten ihren Arbeitsmarkt für die neuen Mitglieder dicht – Deutschland und Österreich sogar für sieben Jahre. Viele Experten sind sich einig: Aus wirtschaftlicher Sicht brachten sie sich damit um einen großen Vorteil.
Mehrere Studien zeigen deutlich, dass die polnischen Migranten besonders tüchtig, eher jung, motiviert und überdurchschnittlich gut ausgebildet waren. Vor allem Spezialisten aus Polen suchten neben einem höheren Gehalt auch bessere Karrierechancen. Die fanden sie in London und dem Süden Englands. Die Einwanderer aus Polen und anderen neuen EU-Staaten aus dem östlichen Europa ließen sich aber auch in strukturschwachen Regionen nieder, nahmen Arbeiten im Niedriglohnsektor an, für die sich die Briten selbst zu schade waren. Um das Jahr 2010 ließ der Zuzug polnischer Arbeitskräfte deutlich nach, viele kehrten nach Polen zurück, auch weil die heimische Wirtschaft immer besser in Schwung kam. Fest steht: Von den polnischen Migranten profitiert die britische Wirtschaft bis heute – auch nach dem Brexit.
Apropos Brexit: Das Vereinigte Königreich gehört zu den wichtigsten Absatzmärkten Polens, nicht zuletzt durch die Migrationswelle ab 2004. Außerdem hofft die Regierung in Warschau auf einige Heimkehrer.
Nach dem Ausscheiden der Briten aus der Europäischen Union verschiebt sich das Machtgefüge in Richtung Osten, denn die Stimmen aus Mittel-/Osteuropa gewinnen an Gewicht. Umso mehr, als dass Polen mit Tschechien, Ungarn und der Slowakei im Rahmen der Visegrád-Gruppe (V4) schon lange „gemeinsame Sache“ macht und in den vergangenen Jahren geschlossen gegenüber Brüssel auftritt und sich immer mehr durchsetzt (etwa bei der Flüchtlingsquote oder dem „Green Deal“ zum Klimaschutz). Noch ist Deutschland der Motor Europas. Doch so abhängig die Länder in Ostmitteleuropa von der deutschen Wirtschaft auch sind: Deutsche (und andere westeuropäische) Unternehmen werden mehr und mehr auf die Visegrád-Länder angewiesen sein. Ohne sie würden Deutschland und Westeuropa ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Das deutsch-französische Modell als Fundament der EU bröckelt bereits, die mitteleuropäischen Länder werden diese Rolle früher oder später übernehmen.
Während es mit dem Welthandel abwärts geht, bleiben die V4-Staaten – insbesondere Polen – das Zugpferd für den deutschen Export. Für Deutschland ist Polen als Handelspartner sogar wichtiger als Großbritannien, das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern legte 2019 um mehr als vier Prozent zu. „Polen entwickelt sich zusammen mit den anderen Visegrád-Staaten zu einem Impulsgeber für die europäische Wirtschaft“, sagt der Vorsitzende des Ost-Ausschusses Oliver Hermes. Der deutsche Handel mit der Visegrád-Gruppe erreichte 2019 ein Volumen von über 300 Milliarden Euro. „Da können weder die USA noch China mithalten“, so Hermes.
Während Länder wie Polen ihre Bürger steuerlich entlasten, geht es dem deutschen Steuerzahler so richtig an den Kragen.
Die hervorragende Entwicklung der polnischen Wirtschaft lässt sich auf eine wirtschaftsliberale Politik zurückführen. Positiv wirkten sich auch der starke Privatkonsum, ausländische Direktinvestitionen und das flexible Arbeitsrecht aus. Zudem gelang es dem Staat, die für den Ausbau der Infrastruktur bereitgestellten Fördermittel der EU konsequent auszunutzen (in der Finanzperiode 2014-2020 erhält Polen als größter Empfänger rund 86 Milliarden Euro), und – dafür gab es sogar ein Lob aus Brüssel – die Steuereinnahmen zu erhöhen.
Die Steuerbelastung in Polen fällt jedoch deutlich ausgewogener als als etwa in Belgien, Italien oder Deutschland. Während in Polen für kinderreiche Familien sogar eine negative Steuer möglich ist, sie also Geld vom Staat erhalten, entwickelt sich das Steuerrecht in der Bundesrepublik immer mehr zu einem Wettbewerbsnachteil. Aufgrund des hohen Anteils an Sozialabgaben (20,6 Prozent für ledige Arbeitnehmer) sind in Deutschland vor allem die Einkommen von Geringverdienern und Alleinerziehenden extrem belastet. In den Industrieländern zahlt ein durchschnittlicher Arbeitnehmer rund ein Viertel seines Bruttoeinkommens an den Fiskus. In Polen sind es im Schnitt 25,2 Prozent, in Deutschland hingegen 39,7 Prozent! Bei einem Jahresbruttogehalt von 100.000 Euro bleiben in Deutschland unterm Strich etwa 60.000 Euro übrig, in Polen oder Tschechien hätte man gut 15.000 Euro mehr in der Tasche. Noch extremer fällt für einen Durchschnittsverdiener (ledig, keine Kinder) der Anteil an den Arbeitskosten aus. Im OECD-Schnitt liegt er bei 35,9 Prozent, in Deutschland bei fast 50 Prozent! Fazit: Deutsche Arbeitnehmer werden extrem belastet (nur Belgier müssen weltweit noch mehr abgeben), Polen oder Tschechien belastet seine Bürger deutlich weniger, obwohl die soziale Infrastruktur mindestens genauso gut ausgebaut ist.
Selbst die Weltwirtschaftskrise konnte Polens Wirtschaft kaum etwas anhaben. Danach nahm sie rasant an Fahrt auf.
Die Arbeitslosenquote lag in Polen Ende des Jahres 2019 bei nur 3,4 Prozent. Neben der hohen Beschäftigung wirken sich auch steigende Gehälter sowie höhere Kindergeld- und Rentenbezüge positiv auf die Kaufkraft aus.
Erstaunlich: Polen war das einzige Land in Europa, das von der Großen Rezession im Jahr 2009 (infolge der globalen Finanzkrise) unberührt blieb. Während etwa die Wirtschaftsleistung der Nachbarländer Deutschland, Tschechien und Slowakei um vier bis fünf Prozent zurückging, legte das polnische BIP um 1,7 Prozent zu. Auch schon davor, vor allem aber danach ging es für Polens Wirtschaft in nur eine Richtung: nach oben.
Seit der politischen Wende dominiert der tertiäre Sektor die Wirtschaft in Polen. Dienstleistungen machen knapp 65 Prozent des BIP aus. Die wichtigsten Standorte sind neben der Hauptstadt Warschau die Messestadt Posen sowie die im Süden des Landes gelegenen Krakau und Breslau. Auch die ehemalige Textilhochburg Łódź gewinnt hier immer mehr an Bedeutung.
Die Industrie, die bis 1989 die führende Rolle spielte, steuert heute etwa (ohne das Baugewerbe) ein Viertel zur polnischen Wirtschaftsleistung bei. Früher – auch noch Mitte der Neunziger – prägte die Montanindustrie, der Abbau von Kohle und Eisenerz und die Landwirtschaft das Land. Und wurden deswegen etwa von den Nachbarn aus Tschechien noch belächelt. Das hat sich beträchtlich geändert: Polen verfügt heute über eine äußerst diversifizierte Wirtschaftsstruktur.
Eine entscheidende Rolle spielt die Automobilbranche, auch in Bezug auf Beschäftigung, Investitionen und den Export. Den meisten Umsatz machen die Zulieferer von Kfz-Teilen. Geht es nach der Regierung, wird Polen schon bald eine Vorreiterrolle bei der Elektromobilität einnehmen. Privatpersonen sollen beim Kauf eines neuen E-Autos staatliche Finanzhilfen erhalten. Der Plan der Regierung sieht zudem vor, dass bis 2025 eine Million E-Autos im Land hergestellt und die erforderliche Infrastruktur geschaffen wird. Gleichzeitig kündigten internationale Produzenten von Batterie-Technologie an, neue Standorte in Polen zu eröffnen.
Die mit Abstand größte Branche im verarbeitenden Gewerbe ist die Nahrungsmittelindustrie. Sowohl die steigende Nachfrage im Inland als auch wachsende Exporte führen zu immer höheren Verkaufserlösen. Eine rasante Entwicklung nimmt auch die IT-Branche mit einer dynamischen Startup-Szene und staatlichen Förderprogrammen. Im „Bloomberg Innovation Index“ von 2018 landet Polen auf Platz 21 – noch vor Hongkong und nur knapp hinter China. Eine führende Position in Europa nimmt Polen in den Bereichen Finanztechnologie und Spiele-Entwicklung ein. Ein hohes Ausbildungsniveau und noch geringe Lohnkosten lockten Konzerne wie Microsoft oder Google nach Polen. Auch für die Bereiche Outsourcing und Programmierung gehört das Land zu den Top-Adressen in Europa.
Die hohe Nachfrage nach polnischen Fachkräften lässt die Gehälter kräftig steigen.
Ein Problem für die Unternehmen stellt – wie in ganz Mittel- und Osteuropa – nach wie vor der Fachkräftemangel dar. Zum Beispiel meldeten Ende 2019 rund 40 Prozent der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe Probleme bei der Suche nach Fachkräften. Immer mehr Firmen treiben aufgrund des Personalmangels und hoher Lohnkosten die Automatisierung voran.
Vor allem technische Berufe sind begehrte Mangelware. Mittlerweile werden aber auch Arbeiter mit geringerer Qualifikation gesucht, besonders in der Logistik-Branche. Das Defizit wird zumeist durch Arbeitskräfte aus der Ukraine ausgeglichen. Derzeit leben über eine Million Ukrainer in Polen, die einen wichtigen Beitrag zum anhaltenden Wirtschaftsboom leisten. Sie gelten als fleißig und integrationswillig, beherrschen in der Regel auch schnell die polnische Sprache.
Die hohe Nachfrage vor allem nach Fachkräften in Polen lässt zudem die Gehälter kräftig steigen. Mittlerweile verfügen Fach- und Führungskräfte dort über eine höhere Kaufkraft als in Deutschland.
Doch eine gute Entlohnung allein reicht in den meisten Fällen nicht mehr aus, um am polnischen Markt erfolgreich zu sein. Zusatzleistungen wie Schulungen oder Zuschüsse für ein Aufbaustudium gehören für viele mittlerweile zum Standard – eine Herausforderung für Unternehmen, Headhunter und Personalberater.
Liegt polnischen Kandidaten ein interessantes Stellenangebot vor, reagieren sie – ähnlich wie Rumänen – in der Regel sehr flexibel und treffen eine schnelle Entscheidung. Ganz anders die Ungarn: Unserer Erfahrung nach gehört das Land im Bereich der qualifizierten Personalsuche zu einem der schwierigsten Märkte.
Unserer Ansicht nach befindet sich Polen – ähnlich wie Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Rumänien – in einer Konsolidierungsphase. Gut aufgestellte Unternehmen mit einem hohen Automatisierungsgrad und modernen Produktionstechnologien, die sich ihren Mitarbeitern gegenüber (auch was die Entlohnung betrifft) korrekt verhalten, verdrängen schon heute weniger erfolgreiche Wettbewerber vom Markt – auch über das Abwerben von Arbeitskräften.
Eine Personalsuche über Anzeigen bleibt, auch nach dem Bekunden unserer Kunden, meist erfolglos. Immer mehr Unternehmen greifen auf die Unterstützung einer professionellen Personalvermittlung und eines versierten Headhunters zurück. Das gilt für Positionen wie Area Sales Manager ebenso wie für technische Berufe, etwa Konstrukteure, Servicetechniker, Anwendungstechniker etc.
Top-Positionen im Management, sei es Vertrieb oder Produktion, können über Anzeigen im Internet so gut wie gar nicht besetzt werden. In polnischen Online-Jobbörsen sind solche Stellen sehr rar gesät. Die Suche nach Kandidaten für Positionen wie Geschäftsführer Vertrieb, Technischer Geschäftsführer oder Werksleiter findet fast ausschließlich über kompetente und erfahrene Personalberater und Personaldienstleister statt.
Polen gilt weiterhin als attraktiver Investitionsstandort, auch wegen niedriger Unternehmenssteuern.
m „Global Competitiveness Index“, der die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes misst, belegt Polen von 141 Ländern den 37. Platz, im Index für wirtschaftliche Freiheit von 180 Ländern den 46. Platz. Laut dem „Expat Insider 2019“ ist Polen bei ausländischen Fachkräften in etwa genauso beliebt wie Deutschland oder Norwegen. Auf Platz 34 reiht es sich zwischen diesen Ländern ein, landet aber deutlich hinter Tschechien (10.), Kasachstan (22.) und Ungarn (30.).
Im von der Weltbank entwickelten „Doing Business Index 2020“, der die Geschäftsfreundlichkeit und Unternehmenstätigkeit von 190 Volkswirtschaften vergleicht, schneidet Polen mit Platz 40 relativ gut ab. Knapp dahinter folgen Tschechien, die Niederlande, die Slowakei und Belgien, mit größerem Abstand Italien (58.) und Luxemburg (72.).
Polen hat sich zu einem modernen Industriestaat mit einem stabilen Wirtschaftswachstum entwickelt. Das Land zwischen Oder und Bug gilt als ein attraktiver Investitionsstandort, auch aufgrund niedriger Unternehmenssteuern. Die Infrastruktur verbessert sich kontinuierlich – viele Regionen in Polen verfügen mittlerweile sogar über bessere Straßen und Bahnstrecken als das in weiten Teilen Deutschlands der Fall ist.