Kurzer Einblick, aktuelle Wirtschaftslage & derzeitige Lage am Arbeitsmarkt in der Slowakei (Stand – Jan. 2020)
Heutzutage entwickelt sich die Wirtschaft der Slowakei äußerst dynamisch, wobei sie sehr stark vom Automotive-Sektor und dem Maschinenbau geprägt ist. Das Rückgrat der slowakischen Wirtschaft ist die Automobilindustrie, auf die 44 Prozent der gesamten Industrieproduktion entfallen und 40 Prozent aller industriellen Exporte. Direkt und indirekt hängen von ihr ungefähr 260.000 Arbeitsplätze ab.
Im Jahr 2015 wurden etwa eine Million Pkw hergestellt, drei Jahre später waren es bereits knapp 1,1 Millionen. Mit rund 200 produzierten Autos auf tausend Einwohner stellte die Slowakei einen Weltrekord auf. Nirgends auf der Welt ist das Verhältnis zwischen Autoproduktion und Einwohnerzahl höher als hier. Auch die Arbeitslosenquote liegt derzeit auf einem Rekordniveau. Im Jahresdurchschnitt 2019 bewegte sie sich bei 5,7 Prozent und erreichte damit den niedrigsten Wert seit der Staatsgründung 1993.
Das Tempo der Wirtschaftsentwicklung hat zuletzt zwar etwas nachgelassen – mehreren Prognosen für das Jahr 2020 zufolge soll das BIP durchschnittlich um 2,5 Prozent wachsen. Doch insgesamt fallen die Aussichten für das exportorientierte Land, das schon fünf Jahre nach dem EU-Beitritt den Euro (2009) einführte, viel besser aus als im Rest der Eurozone. Wie ihre Nachbarn in Ostmitteleuropa befindet sich auch die Slowakei seit mehreren Jahren wirtschaftlich in einer stabilen Verfassung.
Die Slowakei ist auch aus steuerlicher Sicht attraktiv für Unternehmen. Gegenüber den meisten westeuropäischen EU-Ländern bietet sie deutlich mehr Vorteile. Die Körperschaftssteuer liegt derzeit bei 22 Prozent und soll bis zum Jahre 2023 schrittweise auf 19 Prozent reduziert werden. Die Einkommensteuer liegt bei heute 19 beziehungsweise 25 Prozent (abhängig von der Höhe des Einkommens, ähnlich wie in Tschechien).
Auch in der Slowakei werden dringend Arbeitskräfte gesucht, nicht nur Spezialisten. Statt Bulgaren und Rumänen kommen heute Ukrainer
Der Mangel an Fachkräften spitzt sich seit Jahren weiter zu und in fast allen Bereichen – ähnlich wie in Tschechien, Polen, Rumänien, Ungarn und auch in Bulgarien, also in ganz Ostmittel- und Südosteuropa – fehlen Arbeitskräfte. Vor allem technische Berufe und Spezialisten aus dem IT-Bereich sind begehrte Mangelware.
Mittlerweile werden aber auch Arbeiter mit einer geringeren Qualifikation gesucht, etwa Kraftfahrer oder Lagerarbeiter, besonders in der Logistik-Branche. Abhilfe schaffen hier (ähnlich wie in Tschechien oder Polen) Arbeitskräfte aus der Ukraine. Sie ersetzen die Bulgaren und Rumänen, die früher gerne noch in die Slowakei oder nach Tschechien gekommen sind.
Das heißt auch: Um am slowakischen Markt erfolgreich zu sein, muss man seinen Mitarbeitern mehr bieten als höhere Löhne oder Gehälter – eine Herausforderung für viele Unternehmen, Headhunter und Personalberater.
Unserer Ansicht nach befindet sich die Slowakei – ähnlich wie Tschechien, Polen, Ungarn und Rumänien – in einer Konsolidierungsphase. Gut aufgestellte Unternehmen mit einem hohen Automatisierungsgrad und modernen Produktionstechnologien, die sich ihren Mitarbeitern gegenüber (auch was die Entlohnung betrifft) korrekt verhalten, verdrängen schon heute weniger erfolgreiche Wettbewerber vom Markt – auch über das Abwerben von Arbeitskräften.
Immer mehr Führungskräfte und Fachpersonal aus Tschechien und der Slowakei kehren Westeuropa den Rücken zu.
Die Region um Bratislava, in der mit einer Arbeitslosenquote von etwa 2,5 Prozent (2019) Vollbeschäftigung herrscht, zählt heute zu den wohlhabendsten in der gesamten EU. Neben der Hauptstadt gibt es in der Slowakei (und erst recht in Tschechien) noch weitere Regionen, die Italien, Griechenland und manche Gebiete in westeuropäischen Ländern wirtschaftlich längst abgehängt haben.
Eine Personalsuche über Anzeigen bleibt, auch nach dem Bekunden unserer Kunden, meist erfolglos. Immer mehr Unternehmen greifen auf die Unterstützung einer professionellen Personalvermittlung und eines versierten Headhunters zurück. Das gilt für Positionen wie Area Sales Manager ebenso wie für technische Berufe, etwa Konstrukteure, Servicetechniker, Anwendungstechniker etc.
Top-Positionen im Management, sei es Vertrieb oder Produktion, können über Anzeigen im Internet so gut wie gar nicht besetzt werden. In slowakischen Online-Jobbörsen sind solche Stellen sehr rar gesät. Die Suche nach Kandidaten für Positionen wie Geschäftsführer Vertrieb, Technischer Geschäftsführer oder Werksleiter findet fast ausschließlich über kompetente und erfahrene Personalberater und Personaldienstleister statt.
Gewiss: Die Löhne in der Slowakei sind niedriger – allerdings auch die Abgaben und Lebenshaltungskosten. In Deutschland und anderen westlichen EU-Ländern ist die Steuer- und Abgabenlast hingegen immens, hinzu kommen die horrenden Mietpreise in den westeuropäischen Ballungszentren. Die Folge: Immer mehr Führungskräfte und Spezialisten aus der Slowakei (aber auch aus Tschechien) wollen nicht mehr auswandern und kehren Westeuropa den Rücken zu.
Politische und gesellschaftliche Veränderungen sowie die verschlechterte Lebensqualität in Deutschland und Westeuropa verstärken diese Tendenz. Der „Expat Insider 2018“ – eine vom Netzwerk „Internations“ herausgebene Studie über Lebens- und Arbeitsbedingungen im Ausland – stellt der Bundesrepublik vor allem beim „Integrationsvermögen“ ein katastrophales Zeugnis aus. Demnach würde es Expatriates nur in Kuwait und Saudi-Arabien noch schwerer fallen, sich in ihrer neuen Heimat einzugewöhnen. Deutschland landet hier von 68 untersuchten Ländern auf dem drittletzten Platz. Insgesamt positioniert sich Deutschland mit Rang 36 im grauen Mittelfeld. Die Slowakei wurde in der Studie nicht berücksichtigt, dafür aber Tschechien mit einem hervorragenden Platz 10.
Wer begibt sich überhaupt noch auf den Weg in die BRD? In den meisten Fällen sind es Arbeiter und Hilfskräfte – auch wegen des deutschen Kindergeldes. Die größten Konkurrenten für Deutschland im Kampf um die Fachkräfte sind die Schweiz und – auch aufgrund der geographischen Nähe – Österreich. Viele Slowaken arbeiten als Grenzgänger, bekommen ein österreichisches Salär (teilweise 14 Monatsgehälter) – versteuern aber in der Heimat. Da ergibt es durchaus noch Sinn, zum Arbeiten in den „Westen“ zu gehen. Ähnlich wie viele aus dem Großraum Konstanz in der Schweiz ihr Geld verdienen.
Nach der Unabhängigkeit kämpfte die Slowakei mit Startproblemen. Heute ist sie eine der dynamischsten Volkswirtschaften in der EU.
Die Slowakei ist mit ihren 5,4 Millionen Einwohnern der engste Nachbar der Tschechischen Republik – in Bezug auf die Kultur, Mentalität und Sprache. Schließlich bildeten sie bis Ende 1992 fast siebzig Jahre lang einen gemeinsamen Staat. In der Tschechoslowakei existierten nach dem Zweiten Weltkrieg mit Tschechisch und Slowakisch zwei offizielle Amtssprachen. Allerdings dominierte das Tschechische, das fast jeder Slowake auf muttersprachlichem Niveau beherrschte – was umgekehrt nicht der Fall war. Heutzutage haben viele junge Tschechen sogar Probleme, das Slowakische zu verstehen.
Während des Sozialismus – ab 1960 nannte sich der Staat offiziell Tschechoslowakische Sozialistische Republik (ČSSR) – war der slowakische Landesteil stark von der Rüstungs- und Schwerindustrie, aber auch von der Landwirtschaft geprägt. Nach der politischen Wende und dem Ende des Kalten Krieges mussten zahlreiche Betriebe, vor allem im Rüstungsbereich, schließen. Die einstige Abhängigkeit von der Sowjetunion erschwerte den Start in die Unabhängigkeit (1993). Unter Regierungschef Mečiar (bis 1998) verzeichnete die Slowakei allerdings fast jedes Jahr ein höheres Wirtschaftswachstum als Tschechien. Das Prinzip, bedeutende Großunternehmen in slowakischer Hand zu belassen, wurde von Mečiars konservativem Nachfolger aufgehoben. Mit einer Vielzahl ausländischer Investitionen und liberaler Wirtschaftsreformen (u.a. die Einführung einer Einheitssteuer von 19 Prozent) wurde die Slowakei nach der Jahrtausendwende zum „Tatra Tiger“ (und 2004 zum EU-Mitglied). Gleichzeitig schnellten die Arbeitslosenzahlen nach oben (bis auf 19 Prozent), das Gefälle zwischen dem reichen Westen und dem armen Osten des Landes verschärfte sich.
Ein Umstand, der oft ungenannt bleibt, sich jedoch ohne Zweifel positiv auf die wirtschaftliche und politische Entwicklung der Slowakei ausgewirkt hat, ist die einstige Zugehörigkeit zur Habsburger Monarchie. Sie prägte sowohl das Volk, die Mentalität, die Wirtschaft als auch die nicht zu unterschätzende Bürokratie im Sinne eines ordentlichen Ablaufs wirtschaftlicher und staatlicher Prozesse. Lemberg, auf Ukrainisch Львів (Lviv), das bis 1918 ebenfalls zur k.u.k. Monarchie gehörte, steht heute wirtschaftlich besser da als der übrige Teil der Westukraine.
Ein weiterer Punkt, der nur selten erwähnt wird, ist der Wert der Familie. Die Slowaken sind, genauso wie die Tschechen, wesentlich familienorientierter als die Deutschen, Schweizer und Österreicher. Auch der Anteil an privatem Wohneigentum fällt mit rund 80 Prozent deutlich höher aus als im deutschsprachigen Raum. Oma und Opa kümmern sich in Tschechien oftmals um die Enkelkinder, zudem gibt es ähnlich wie in der ehemaligen DDR viel mehr gute und qualifizierte Kinderkrippen oder Kindergärten zu bezahlbaren Preisen. Vielerorts sind folglich beide Elternteile berufstätig.
Im Gegensatz etwa zu den Polen gehören die Slowaken nicht gerade zu den mobilsten Völkern in Mittel-/Osteuropa. Die Gründe sind nachvollziehbar – insbesondere was den Anteil an Wohneigentum und die Beschäftigung beider Elternteile angeht. Doch wird dadurch der Suchprozess nach slowakischen Mitarbeitern deutlich erschwert.
Die einzige Ausnahme bildet Tschechien. Aufgrund der kulturellen und sprachlichen Verwandtschaft sowie gegenseitigen Sympathie und geographischen Nähe erklären sich Slowaken durchaus bereit, bei einem entsprechenden Angebot auch in Tschechien tätig zu werden. Das können wir als qualifizierte Headhunter bestätigen. Deutschland und Österreich kommen als Zielländer überwiegend für Hilfs- und Saisonarbeitskräfte, Bedienungspersonal in der Gastronomie und im Billigdienstleistungssektor infrage. Spezialisten müssen nicht mehr in die Fremde, da sie teilweise dasselbe Gehalt bekommen wie im deutschsprachigen Raum (abgesehen von der Schweiz). Nach Abzug der Steuern und unter Berechnung der Kaufkraftparität stehen diese Fachkräfte sogar wesentlich schlechter da – ganz zu schweigen vom Verlust der Heimat.